Die Kinder des Kardinals

Nguyen Van Tin steht an einer Druckerpresse. Es sind die letzten Monate in der Hausdruckerei der Erzdiözese Wien von Herrn Nguyen Van Tin, bevor sich der gebürtige Vietnamese in die wohlverdiente Pension verabschieden darf. Er trägt eine weiße Strickjacke, die für ihn von besonderem Wert ist – ein Erbstück von Kardinal König. „Am Anfang waren die Ärmel zu lang“, erzählt Nguyen Van Tin, „aber nach dem ersten Waschen haben sie gepasst.“

Asyl im Erzbischöflichen Palais

Vor mehr als 30 Jahren war er mit seiner Familie wie viele Vietnamesen nach dem Krieg in überfüllten Booten Richtung Ungewissheit geflüchtet. Zur gleichen Zeit richtete Kardinal König den Appell an die österreichische Bevölkerung, den heimatvertriebenen Flüchtlingen Hilfe zu leisten. Er ließ seinen Worten selbst Taten folgen: Anfang der 80er Jahre nahm er eine sechsköpfige vietnamesische Flüchtlingsfamilie bei sich im Erzbischöflichen Palais auf. Gegen Widerstände in seiner Umgebung stellte Kardinal König der Familie mit drei kleinen Kindern ein Gästezimmer im sechsten Stock des Palais zur Verfügung. Dies war der Beginn eines neuen Lebens für Nguyen Van Tin und seine Familie.

Kontakt gehalten

Trotz eines vollen Terminkalenders versuchte Kardinal König mit Hilfe seiner langjährigen Sekretärin Annemarie Fenzl, regelmäßig Kontakt zu seinen vietnamesischen Schützlingen zu halten und ließ im Hof des Palais eine Sandkiste für die Kinder aufstellen. Für den Vater Nguyen Van Tin fand er einen Arbeitsplatz in der Hausdruckerei der Erzdiözese und nahm die Kinder in den Sommermonaten in seinen Urlaubsort nach Vorarlberg mit. Nguyen Van Tin und seine Familie baten aus Dankbarkeit um die Taufe, „weil die Christen so gute Menschen sind“. Kardinal König war zunächst zurückhaltend und wollte jeglichen Anschein vermeiden, dass seine Hilfe an eine Bedingung geknüpft sei. Schließlich taufte er die vietnamesischen Flüchtlinge und ihre Kinder und vermählte die Eltern kirchlich, ohne dabei die buddhistischen Wurzeln der Familie unerwähnt zu lassen. „Der Herr Kardinal hat immer gesagt, ich sollte niemals vergessen, woher ich komme“, erzählt Nguyen Van Tin nachdenklich.

Abschied am Sterbebett

Der Film lässt das Leben der Familie und deren Begegnung mit Kardinal König u. a. anhand von Gesprächen mit der ehemaligen Sekretärin Königs, Annemarie Fenzl, Revue passieren. Erweitert wird der Blick in die Vergangenheit durch Archivmaterial aus dem privaten Familienbereich und aus dem Nachlass von Kardinal König. Wie nah einander der Kardinal und die Familie Nguyen standen, wird auf berührende Art und Weise deutlich, wenn der älteste Sohn von den letzten Tagen im Leben des Kardinals erzählt, die dieses vietnamesische „Kind des Kardinals“ am Sterbebett seines „Vaters“ verbracht hat: „Ich denke oft darüber nach, was aus uns geworden wäre, wenn der Kardinal uns nicht bei sich aufgenommen hätte. Ob ich jemals die Chance erhalten hätte, einen Beruf zu erlernen und eine Familie zu ernähren?“ Aber, so Annemarie Fenzl, auch der Kardinal hat von der Nähe zu „seinen Kindern“ emotional profitiert: „Ich glaube, die Familie hat ihm die Bodenhaftung gegeben, die er sonst vermisst hätte.“

ProduktionstitelDie Kinder des Kardinals
ProduktionsfirmaMeta Film
FormatHD - Dokumentation kreuz und quer
Prod.ZeitraumNov. 2011
Prod.OrteÖsterreich
RegieMartin NGUYEN
KameraBirgit GUDJONSDOTTIR
TonRene SCHUH
AssitenzPhillip GLOCKNER
Equipment v. SCHUH-TVTonequipment Stereo, SD302, RSM191, Schoeps CMIT5U